Editorial September 2012

Veröffentlicht am Donnerstag, 30. August 2012, 18:21

BGH Urteil stellt Zillmerung in Frage
Ein jüngst ergangenes Urteil des BGH (Deutscher Bundesgerichtshof)  setzt die Versicherungsindustrie und ihre Berater unter Druck. Vorangegangen waren Klagen von Konsumenten, die viele Jahre in Lebensversicherungsverträge gespart hatten. Diese Verträge hatten, wie in der Versicherungsbranche üblich, eine gezillmerte Gebührenstruktur. Mit dem Urteil vom 25. Juli 2012  gegen den Versicherer Deutscher Ring wurde diese Form der Verrechnung von Abschlusskosten vom BGH als rechtsunwirksam erklärt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich österreichische Gerichte an der deutschen Rechtsprechung orientieren.

Das gezillmerte Nettobeitrags-Verfahren ist die gebräuchlichste Formel zur Berechnung der Deckungsrückstellung für Lebens- und Krankenversicherungen. Immer wieder wird die Zillmerung auch mit der anfänglich geringen Höhe der Rückkaufswerte in Verbindung gebracht. Doch die rechtlichen Vorschriften zum Zillmerverfahren beziehen sich auf die handelsrechtliche Bilanz des Versicherers und nicht auf die im Vertrag zu vereinbarenden Rückkaufswerte. Der Vorteil eines gezillmerten Tarifes liegt – im Gegensatz zu einem ungezillmerten Vertrag – in einer höheren Ablaufleistung zum Ende des Vertrags. Hierzu ist es selbstredend notwendig, den Vertrag bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit zu bedienen.

Das Zillmerungsverfahren ist seit bald 100 Jahren der Eckpfeiler der Kostenverteilung und Provisionsverrechnung in den Lebensversicherungssparten. Dank geschäftstüchtiger Anwälte dürfte es nun zum Kippen gebracht werden. Betroffen sind Millionen von Versicherungsverträgen, die von tausenden Beratern in den letzten Jahrzehnten verkauft wurden. Das lässt die Frage aufkommen, in wie weit man sich als Versicherer und Berater überhaupt noch auf schriftlich Vereinbartes verlassen kann.

Ein funktionierender Markt besteht aus seriösen Produktanbietern, aus professionellen Vermittlern und mündigen Konsumenten. Versicherungskunden haben ein Recht darauf, die zugesagten Versicherungsdeckungen oder Erträge zu erhalten. Wenn Gerichte aber so wie aktuell im Nachhinein in bestehende Verträge eingreifen und 100 Jahre Praxis einfach über den Haufen werfen, macht das die Chance auf einen Markt zum Nutzen aller zunichte.  Das kann niemand wollen. Daher hoffe ich, dass alle Marktteilnehmer ehestmöglich die Zeichen der Zeit erkennen, und durch nachsichtiges Verhalten und Augenmerk für die Situation des jeweiligen Vertragspartners, die zu starke Involvierung marktfremder (Rechts-)Instanzen entbehrlich machen. AFPA fördert dieses gegenseitige Verständnis der Marktteilnehmer und ihrer Vertreter durch Aufklärung und Information von Entscheidungsträgern und durch Diskussionsgelegenheiten im Rahmen des AFPA Marktdialoges.

Klaus Schönfelder
Stv. Vorsitzender des Vorstandes